WDR-Hörspiel "Durch die Wüste" - schon gehört...

OldPetz
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WDR-Hörspiel "Durch die Wüste" - schon gehört...

Beitrag von OldPetz »

... und eigentlich ganz zufrieden - denn es ist eine interessantere Vertonung als die bisher veröffentlichten Produktionen von Europa, Maritim und Consorten.
Ein kurzer Überblick: Geschildert wird das Abenteuer auf dem Schott, die Geschichte um Abu Seif und das Abenteuer um die Rettung der Haddedihn nebst Befreiung von Amad el Gandhur. Drei CDs umfaßt die Produktion, der Pappschuber in gelernter Random-House-Qualität.
Stilistisch wird deutlich vom Text des Maysters abgewichen. Zum einen ist das ein enormer Mehraufwand - andere Texter haben teilweise wörtlich Passagen übernommen. Zum anderen entfernt sich der Erzählstil aber damit auch stark von unserem Lesevergnügen, an einigen Stellen wird der Verlauf auch geändert, ohne in der Summe von der Gesamtgeschichte abzuweichen. Eine Geschmacksfrage also.
Keine Geschmacksfrage ist dagegen das Setzen anderer Schwerpunkte. So wird der running gag um den falschen Hadschi-Titel hier nicht herausgestellt - ich wartete förmlich darauf und wurde enttäuscht. Auch werden für den besseren Fluss plötzlich Stimmen hörbar, die im Buch keine Verwendung fanden - der Begleiter von Hamd el Amasat beispielsweise spricht. Hamdullilah - ein Wunder!
Im Ernst - wer die Buchvorlage nicht kennt, wird nichts vermissen. Allerdings fehlen ihm auch wichtige Hintergrundinformationen. Zentrale Szenen werden erzählend angerissen, wie etwa die Jagd auf Abu Seif nach Karas Flucht aus Mekka, andere Szenen dagegen langatmig ausgewalzt. Das Abenteuer um die Befreiung von Senitza wird noch nicht einmal erwähnt.
Zu den Sprechern: Angenehm zu hören, aber insgesamt zu glatt und teilweise unpassend ausgewählt - keine "Typen", die sich für einige Rollen wirklich anböten. Halef ist für meine Ohren zu alt, und auch die komische Note des tapferen Hadschis kommt nicht heraus. An dieser Stelle muß ich noch einmal den Erzählstil ankreiden, der für manche Schlüsselszene gewählt wurde - ein enormer Teil der Spannung der Romanvorlage geht hier schlichtweg verloren, weil der Erzähler es mehr oder minder beiläufig wiedergibt.
Fazit: Eine schöne Ergänzung des bisher veröffentlichten Hörmaterials nach Karl Mays "Durch die Wüste" - mit Schwächen allerdings.
Rüdiger

Beitrag von Rüdiger »

Ohne es gehört zu haben: die Komik und die Spannung liegen im Text, da muß man nichts „machen“, nicht draufdrücken, nichts. Der Halver sagt ja schon bei der einen CD, die ich gehört habe (ich weiß schon nicht mehr welche das war und habe auch nur ca. 10 Minuten gehört) „von Karl May“ so, als würde er gleichsam auf eine Pauke hauen. Alles unnötig.

Das ist ja immer das blöde bei den Filmen und Freilichtaufführungen: die „Komiker“ kommen schon als depperte Kasper daher, die jeder auf drei Meilen gegen den Wind als komisch erkennen soll. Bei Karl May sind das ganz ernsthaft geschilderte Menschen, die Komik liegt eben darin, dass sie ihre seltsamen Sachen ganz ernst und trocken vortragen. Aber das ist den meisten halt zu dezent.
Rüdiger

Beitrag von Rüdiger »

Die Haltung und das Gesicht des Engländers hatte sich plötzlich außerordentlich verändert. Das waren nicht die dummen Züge von vorher, und aus den Augen blitzte eine Intelligenz, eine Energie, welche den beiden andern die Worte benahm.
"Meint ihr wirklich, daß ich verrückt bin?" fuhr er fort. "Und haltet ihr mich wirklich für einen Menschen, vor welchem ihr euch gebärden könnt, als ob die Prairie nur euer Eigentum sei? Da irrt ihr euch. Bisher habt ihr mich gefragt, und ich antwortete euch. Nun aber will auch ich wissen, wen ich vor mir habe. Wie heißt ihr, und was seid ihr?"
Diese Fragen waren an den Kleinen gerichtet; er sah in die scharf forschenden Augen des Fremden, die einen ganz eigenartigen Eindruck auf ihn machten [...]
Der Engländer betrachtete sie mit einem durchdringenden Blicke, als ob er ihnen bis tief in das Herz zu sehen wünsche; dann nahmen seine Züge einen freundlichen Ausdruck an; er nahm ein Papier aus der Banknotentasche, faltete es auseinander, reichte es den beiden hin und antwortete: "Ich habe nicht gescherzt. Da ich euch für brave und ehrliche Leute halte, so sollt ihr diesen Paß ansehen."
Die beiden sahen und lasen, blickten einander an, dann riß der Lange die Augen und den Mund möglichst weit auf, und der Kleine sagte, diesmal in einem sehr höflichen Tone: "Wirklich ein Lord, Lord Castlepool. Aber, Mylord, was wollt Ihr in der Prairie? Das Leben steht Euch - -"
"Pshaw!" unterbrach ihn der Lord. "Was ich will? Die Prairie und das Felsengebirge kennen lernen und dann nach Frisco gehen. War schon überall in der Welt, nur in den Vereinigten Staaten noch nicht. Doch, jetzt sind wir einander vorgestellt und brauchen nicht mehr fremd zu thun. [...]
Seinem Tone nach war er jetzt derjenige, welcher ihnen, anstatt sie ihm, Vorschriften zu machen hatte.

*

SO wird Lord Castlepool bei Karl May in der Originalfassung geschildert. Und nur dort.
OldPetz
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Beitrag von OldPetz »

ich bin ganz deiner meinung - und es geht mir auch nicht um reißerische elemente, fistelstimmen, stimmliche purzelbäume oder ähnliches. höre dir das wdr-hörspiel an - und dann sage mir bitte, um in dem gänzlich umgearbeiteten text die komik vom original erhalten geblieben ist.
Rüdiger

Beitrag von Rüdiger »

Ich bin der absolute Hörspiel-Muffel und werde mir die Mühe wohl nicht machen. Ich glaub's Dir, daß es nichts ist.

;-)

Karl May gesprochen, gespielt, vertont oder getanzt (was weiß ich ...) ist gleichsam Karl May im Gefäß, also nicht mehr pur. Ganz ganz schwierig.
Joerg
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Beitrag von Joerg »

Karl May gesprochen, gespielt, vertont oder getanzt (was weiß ich ...) ist gleichsam Karl May im Gefäß, also nicht mehr pur. Ganz ganz schwierig.
... sagt der Theaterschauspieler ;-)
Nunja, auch das Hörspiel ist eine Kunstform, eine mehr oder weniger dramatische Inszenierung eines Textes.
Natürlich ist die Qualität entscheidend.

@OldPetz
Danke für Deine ersten Eindruck. Ich bin - gerade auf dieses sehr seltene Hörspiel - sehr gespannt.

Gruß
Jörg
Sven Margref
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Beitrag von Sven Margref »

Das Hörspiel "Durch die Wüste" kann ab sofort auch im KARL MAY & Co. Service bestellt werden.

->> http://www.karl-may-magazin.de/service
OldPetz
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Beitrag von OldPetz »

Eine wichtige Entdeckung habe ich leider erst heute früh machen können: Das Hörspiel endet mitten in der Handlung - am Ende der dritten CD fällt der Vorhang und alle Fragen bleiben offen. Amad el Gandhur im Kerker von Amadije, die Truppen des Pascha in ihrem Versteck und das Fest der Teufelsanbeter vor der Tür - die Spannung steigt, und plötzlich ist die Show vorüber.
Da ich wegen des Fronleichnamtages heute niemanden bei Random House oder dem WDR erreiche, schon mal diese Vorabinfo. Sollte es eine Fortsetzung "Durchs wilde Kurdistan" im Archiv des WDR nicht geben, stünde man mit einem Fragment da.
Ist unter den "betagteren" Herrschaften jemand, der schon damals den WDR hörte und das Hörspiel vielleicht kennt, somit auch die Frage nach der Fortsetzung beantworten kann?
n.f.
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Beitrag von n.f. »

Nebenbei: Im Service-Bereich von KARL MAY & Co. kann das neue Cover der "Wüste"-Hörspiel-Veröffentlichung betrachtet werden:
http://www.karl-may-magazin.de/service
OldPetz
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Beitrag von OldPetz »

Und überhaupt: ...

Erste Info von Random House: Es gibt keine Fortsetzung. ;-(
(Montag)

Zweite Info (besser informierte Quelle): Ich werde das mal prüfen...
(Dienstag)

Aktueller Stand: siehe "Zweite Info".
(Samstag)
OldPetz
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ein blick hätte genügt... ;-)

Beitrag von OldPetz »

sozusagen als abschlußmeldung meinerseits: die recherche in der hörspieldatenbank der ARD hat ergeben, daß außer "duch die wüste" kein weiteres hörspiel aus den abenteuern im reiche des großherrn hervorging.
bitter - da die handlung abreißt, ein fragment wie weiland schon schuberts achte... mit dem unterschied, daß diese musik selbst als fragment wundervoll ist ;-)

salam!
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