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Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 18. Mär 2023, 09:51
von J.L Niebergall
Nach vielen Jahren noch einmal geschaut. Braucht man nicht mehr viel Worte drüber zu verlieren.
Was mich aber immer wieder aufs Neue wundert ist die Winnetou-Interpretation von Pierre Brice.

Erstaunlich, dass Brice nie den Erfolg seiner Figur aus den 60ern verstanden hat. Seine mystische Aura, seine Funktion des "Deus ex machina" (M.Petzel), die Dialog- und Emotionsarmut.
All das hat er in den folgenden Jahren immer wieder versucht nach seiner Art zu interpretieren und ist jedesmal sang und klanglos damit gescheitert.
Ich bin mitlerweile auch davon überzeugt, dass Pierre Brice sich niemals ernsthaft mit einer Romanvorlage Karl Mays auseinandergesetzt hat. Denn auch wenn die Romanvorlage teilweise drastisch von der
Märchenfigur der 60er-Filme abweicht, so haben sie doch sicher eines gemeinsam. Die Mystifizierung und das überirdische Heldentum.

Pierre Brice machte aus der Figur einen Prediger, Schwätzer, Heilsbringer. In " Mein Freund Winnetou" einen Belehrer, dick aufgetragenen Besserwisser.
Seine Stücke in Segeberg scheiterten und ich bin fest überzeugt, dass Hr. Bludau diese Art von Winnetou ebenso Mitte der 80er abgelehnt hat und es deswegen auch zum "Bruch" kam.
In "Winnetous Rückkehr" dann der noch traurigere Höhepunkt der Fehlinterpretation des ehemaligen Filmheldens. Ich spare mir hier jeglichen Kommentar zu diesem "Meisterwerk"
Hätte Herr Brice nicht aus seinen Misserfolgen (1980) eigentlich Schlüsse ziehen müssen? Hatte er nicht selbst Ende der 60er erlebt, was passiert, wenn Winnetou zum lieben Onkel mutierte. Zum Nachbarn der Geschenke zum Geburstag mit einem breiten Grinsen über dem Gesicht vorbeibringt.
Anscheinend nicht, denn Pierre Brice arbeitete stattdessen weiter an seiner eigenen Demontage der einst so stolzen Figur.

Die Fans kamen zwar Ende der 80er weiter nach Segeberg, aber vermutlich die meisten um Ihr Idol aus Kinokindertagen persönlich zu bewundern.
Diese fehlende Wahrnehmung der Gründe seines Erfolges wird mir auch nach seinem Tod immer ein Rätsel bleiben. Ebenso die Tatsache, dass ihn nie jemand dahingehend beraten hat.
Hätten wird die gleiche Entmystifizierung Old Shatterhands erlebt,wenn der gute Lex nicht traurigerweise so früh gestorben wär? Herr Rauch mit seinem bayuwarischen Aussehen und seinem Bierbauch in "Mein freund Winnetou" hat hart dran gearbeitet.

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 20. Mär 2023, 18:01
von tribeman
Das ist auf jeden Fall eine intressante Sichtweise. Jochen Bludau hat sich im Bezug auf Brice mal so geäußert: Er wollte beweglichkeit durch Weißheit ersetzen.
Mir persöhnlich hätte dann eher eine Geschichte über Klekih-Petra mit Pierre in der Hauptrolle gefallen.

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 20. Mär 2023, 21:18
von wahinhaya
Seine Interpretation der Winnetou-Rolle in der 14 teiligen Serie (1979/1980) ist in vielerlei Hinsicht authentisch und verschfft einen guten Eindruck der beginnenden Reservatszeit Ende des 19. Jhd.
Wenn du dazu mehr lesen willst, verweise ich gerne auf meinen entsprechenden Artikel in der Karl-May & Co:
https://www.karl-may-magazin.de/karl-may-co-nr-166/
Winnetou 2.0 – Wie authentisch ist die 1979 gedrehte TV-Serie „Mein Freund Winnetou“?
VG Michael

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 21. Mär 2023, 18:02
von tribeman
Über Authänsität brauchen wir aich nicht diskutieren, da bin ich derselben Meinung.
Es ist aber auch schwer einem Fan der Filme die ja was Authänsität betrieft, weit hinter der Serie liegen, alles recht zu machen.
Ich glaube eben das viele Fans der Filme (Ich auch) entäscht waren, ihren Winnetou so anders zu sehen. Heute kann ich der Serie auch wesentlich mehr abgewinnen als bei der Erstusstrahlung.
Damals war ich 7 oder 8 Jahre alt.
P.S. Als Sammler habe ich mir neben der deutschen DVD auch die Französische gekauft in der ein paar Szenen sind die der deutschen Fassung fehlen, diese dann mit den Hörspielton unterlegt und mir so meine eigene Disk gebastelt.

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 24. Mär 2023, 08:05
von wahinhaya
auch in der englischen Fassung gibt es einige Szenen, die in der franz. bzw. deutschen fehlen. Zudem gibt es in der englischen Version das Wort Old Shatterhand gar nicht. Er wird dort immer Brother Carstairs genannt, warum, habe ich nicht herausfinden können. Auch verwedet Brice in der engl. Fassung einige weitere Begriffe aus der Sparache der Lakota (Sioux)

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 24. Mär 2023, 14:53
von tribeman
Gibt es die Englische Fassung auf DVD oder Video und wie ist der englische Titel ?

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 24. Mär 2023, 21:16
von mich
J.L Niebergall hat geschrieben: 18. Mär 2023, 09:51 Nach vielen Jahren noch einmal geschaut. Braucht man nicht mehr viel Worte drüber zu verlieren.
Was mich aber immer wieder aufs Neue wundert ist die Winnetou-Interpretation von Pierre Brice.

Erstaunlich, dass Brice nie den Erfolg seiner Figur aus den 60ern verstanden hat. Seine mystische Aura, seine Funktion des "Deus ex machina" (M.Petzel), die Dialog- und Emotionsarmut.
All das hat er in den folgenden Jahren immer wieder versucht nach seiner Art zu interpretieren und ist jedesmal sang und klanglos damit gescheitert.
Ich bin mitlerweile auch davon überzeugt, dass Pierre Brice sich niemals ernsthaft mit einer Romanvorlage Karl Mays auseinandergesetzt hat. Denn auch wenn die Romanvorlage teilweise drastisch von der
Märchenfigur der 60er-Filme abweicht, so haben sie doch sicher eines gemeinsam. Die Mystifizierung und das überirdische Heldentum.

Pierre Brice machte aus der Figur einen Prediger, Schwätzer, Heilsbringer. In " Mein Freund Winnetou" einen Belehrer, dick aufgetragenen Besserwisser.
Seine Stücke in Segeberg scheiterten und ich bin fest überzeugt, dass Hr. Bludau diese Art von Winnetou ebenso Mitte der 80er abgelehnt hat und es deswegen auch zum "Bruch" kam.
In "Winnetous Rückkehr" dann der noch traurigere Höhepunkt der Fehlinterpretation des ehemaligen Filmheldens. Ich spare mir hier jeglichen Kommentar zu diesem "Meisterwerk"
Hätte Herr Brice nicht aus seinen Misserfolgen (1980) eigentlich Schlüsse ziehen müssen? Hatte er nicht selbst Ende der 60er erlebt, was passiert, wenn Winnetou zum lieben Onkel mutierte. Zum Nachbarn der Geschenke zum Geburstag mit einem breiten Grinsen über dem Gesicht vorbeibringt.
Anscheinend nicht, denn Pierre Brice arbeitete stattdessen weiter an seiner eigenen Demontage der einst so stolzen Figur.

Die Fans kamen zwar Ende der 80er weiter nach Segeberg, aber vermutlich die meisten um Ihr Idol aus Kinokindertagen persönlich zu bewundern.
Diese fehlende Wahrnehmung der Gründe seines Erfolges wird mir auch nach seinem Tod immer ein Rätsel bleiben. Ebenso die Tatsache, dass ihn nie jemand dahingehend beraten hat.
Hätten wird die gleiche Entmystifizierung Old Shatterhands erlebt,wenn der gute Lex nicht traurigerweise so früh gestorben wär? Herr Rauch mit seinem bayuwarischen Aussehen und seinem Bierbauch in "Mein freund Winnetou" hat hart dran gearbeitet.
Tja, auch Frau Brice hat das nicht verstanden - siehe Pierre Brice-Edition.

Es fing ja damit an das P.B. ohne Engagement und Erfolg auf einer Segeljacht im Mittelmeer keine Hauptrolle als Indianer spielen wollte. Sein Agent musste ihn "Überreden" mal Geld zu verdienen.

Harald Reinl hatte bekanntlich grosse Probleme mit P.B., der nicht schlicht mit stolzer MIne aber ohne groß zu reden auf seinem Pferd sitzen wollte sogar Dialog, Dialog gefordert hat.

Aus dem Misefolg von MFW hat P.B. keine Konsequenzen gezogen, sondern einfach weitergemacht. Jochen Bludau in Elspe soll auch seine Probleme gehabt haben. Erst in Bad Segeberg haben seine Drehbücher gezogen.

P.B. hat sich meines Wissens immer auf bestimmte Personen als Berater verlassen, namendlich versucht seine Sicht der Dinge u.a. im Pierre Brice Club durchzusetzten. Ich vermute abweichendes Feedback war nicht willkommen. Besuch von Fantreffen nur gegen Bezahlung.

Nun ja, Stewart Granger wollte auch alles ändern, namendlich die Regie von Old Surehand 2 übernehmen. Möglicherweise wäre dann Winnetou gar nicht mehr aufgetreten.

Horst Wendtland wollte auch alles anders haben und hat nach dem Ausscheiden oder "kalt stellen" von Gerhard Fritz Hummel, Pseudonym Piet ter Ulen (Dramaturg Constantin) die Weichen anders gestellt und erstmal Harald Reinl duch Alfred Vohrer ersetzt. Mit Druck von Constantion durfte Harald Reinl W 3 noch drehen.

Briefwechsel von Horst Wendtland und Martin Böttcher legt nahe, das Horst Wendtland die Wirkung/Bedeutung der Musik gar nicht verstanden hat. M.B. hat da so seine liebe Not mit Horst Wendtland gehabt.

Last but not least gibt es einen später entstandenen Heimatfilm mit Regie Harald Reinl. Das ist ein verkappter Winnetou Film. Absolut identische Regieführung - ähnliche Natur (Alpen).

Lange Rede, kurzer Sinn: Alles nur ein grosses Spiel samt viel Glück und Zufall.

Michael
PS: Sollte was nicht stimmen - Widerspruch.

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 30. Mär 2023, 17:44
von Rimatta
Also, ich kann so etwas nicht bestätigen. Bei den Club-Treffen wo ich war war es sehr schön. Pierre Brice hat immer darauf hingewiesen, dass er eine Brücke bauen wollte zwischen Karl May und der Realität. Auch kann ich nicht verstehen, wenn Bludau sagt Reden gegen Beweglichkeit. Warum hat er dann noch Jahre nach dem Abgang von Brice genau diese jeweiligen Versionen der Stücke noch aufgeführt. Gojko Mitic den ich überaus schätze, hat ja ähnlich jahrelang mit großen Erfolg in Bad Segeberg agiert. Zu den 1960er Jahren ist in Bezug auf die Filme noch folgendes zu sagen, es gibt einen Bericht mit Artur Brauner, wo er bereits nach den Film "Im Reich des Silbernen Löwen" beklagt, dass keine Gewinne mehr mit in Deutschland produzierten Filmen zu machen ist. Demzufolge ist es nur logisch, wenn Wendlandt neue Wege beschreiten wollte. Leider hat es mit Karl-May-Figuren nicht mehr funktioniert, da mit ihnen solche Brutalitäten wie in den Italo-Western nicht möglich war. Es ist deshalb noch jetzt zu danken, dass trotzdem noch das Wagnis mit Firehand und Tal der Toten eingegangen wurde, obwohl ein Misserfolg vorhersehbar war. Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass man es Pierre Brice zu verdanken hat, wie groß Elspe und Segeberg geworden sind. Auch wenn Latwesen einen gewissen Erfolg hatte, wäre es regional geblieben

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 31. Mär 2023, 16:19
von J.L Niebergall
Der Erfolg von Elspe und Segeberg ist allein auf die Winnetou-Figur der 60er zurückzuführen. Ich erinnere mich noch gut, wie im Elspe Store 1977 noch Film-Memorablia verkauft wurden und die buchstäblich den Verkäufern aus den Händen gerissen wurden. Puzzle, Böttcher-Lps, Filmbuch Unucka etc. Die Leute wollten ihr Idol aus Kino und TV live erleben. Warum war wohl der magischste Moment das Auftauchen Winnetous mit Handzeichen und Böttchermusik auf dem Hügel? Eine Szene die selbst viele Jahre später immer noch für ein Aufraunen im Publikum sorgte.

Dass die Filme Ende der 60er nicht mehr erfolgreich waren, hat mit der fehlenden Erkenntnis Brice der Gründe seines Winnetouerfolges nichts zu tun, sondern der damaligen gesellschaftlichen Entwicklung. Allerdings änderte diese sich auch schnell wieder und genau die romantischen Filme der Serie wurden erfogreich Wiederaufgeführt, bis Mitte der 80er. D.h ein verstandener Versuch einer romantischen, wortkargen, märchenhaften Neuverfilmumg hätte durchaus erfolgsversprechend sein können.
Den oft geführten Kult um Wendlandt konnte ich noch nie nachvollziehen, denn er hat die Serie ausgeschlachtet, was per se eines Produzenten Recht ist, aber mit immer weniger Sorgfalt und dafür immer mehr Lieblosigkeit. Mussten wirklich immer die selben Darsteller in jedem Film erneut auftauchen? Walter Barnes, Karin Dor, George uvm.
Die immer selben Locations verwendet werden? Ist es nicht auch entzaubernd z.b das Pueblopateau immer wieder zu missbrauchen, oder Paloma Narkana dort wohnen zu sehen, wo einst Lex und Marie badeten? ( O.K In dem Fall Brauner). Mich stört dieser grobe sichtbare lieblose Produktionsstil mittlerweile sehr. Da ist Mc Hallers Farm am Anfang des Films eigentlich sehr erfrischend, wüsste man nicht welch schlechte Regie sich anschliesst

@ MICH

Einer hat mein Eingangsthread verstanden.

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 1. Apr 2023, 10:35
von Rimatta
>>Der Erfolg von Elspe und Segeberg ist allein auf die Winnetou-Figur der 60er zurückzuführen.<<

Das kann so wohl nicht ganz stimmen.
Materialien von den Filmen gibt es auch heute noch haufenweise zu kaufen und war zur damaligen Zeit bei den Bühnen ein willkommener Nebeneffekt.
Schauen wir uns doch mal Bad Segeberg nur in sehr, sehr groben Zügen an.
In den 1960er Jahren war hier das Traumpaar Harry Walther und Heinz Ingo Hilgers, die für die damaligen Verhältnisse den Erfolg brachten. Da war nichts in Bezug auf die Filme vorhanden.
Ute Thienel, hat 2015 zur Premiere zum Tod von Pierre Brice gesagt, dass er die Wende brachte.
Dieser Erfolg wird dadurch fortgesetzt, dass man Gaststars verpflichtet und Action, sprich Explosionen am laufenden Band einbaut. Kein Mensch will heutzutage noch Sprechtheater hören oder sehen. Spätestens nach 30 Minuten würden Zuschauer das Theater verlassen.

Nun zu Elspe, da wurde in einem Zeitungsartikel zum Tode von Jochen Bludau vollkommen richtig analysiert. Er hat den Erfolg auf drei Säulen begründet.
1. Säule man baut überall wo möglich die Hautraufmentalität der Bud Spencer und Terence Hill Filme ein.
2.- Säule, man erzeugt die Atmosphäre eines Breitwandkinos. Das ist ihn wunderbar durch die Dachkonstruktion gelungen. Ein zusätzlicher Effekt, ist dann auch noch, dass die Zuschauer vor Regen geschützt sind.
3. Säule: Man benötigt eine große Persönlichkeit, wodurch Elspe in den Medien ins Gespräch und somit in die Öffentlichkeit kommt. Wie er dann mal selbst erzählte, hatte er den Geistesblitz: da muss doch noch irgendwo Pierre Brice sein. Was lag näher um bei ihn anzufragen. Obwohl hier der Star an sich überwiegt, kann man dann mit sehr viel Wohlwollen einen geringen Anteil der 1960er Jahre Filme zusprechen. Als sich dann Pierre Brice 1986 von Elspe verabschiedete, hat man in den Stücken noch mehr auf Action gebaut und das Rahmenprogramm kontinuierlich bis zum heutigen Stand erweitert. Diese Maßnahmen führten dazu, dass eine stätige Zuschauerzahl von ca 200000 erreicht wird.

In Bezug auf Jochen Bludau ist auch zu sagen, dass er es schaffte, nach dem Ende der Film-Ära eine zweite Karl-May-Welle loszutreten.

Mein persönliches Fazit ist also, dass die Freilichtbühnen streng genommen nichts mit den 1960er Jahren Filmen gemein haben.

Mehr ist dazu nicht zu sagen und ich werde mich zu diesem Thema auch nicht weiter dazu äußern.

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 1. Apr 2023, 10:52
von pokaimu
Dem Fazit stimme ich voll und ganz zu!

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 21. Apr 2023, 00:23
von Michael Petzel
Sehr spannend für mich, dies zu lesen. Manchmal schüttelt die Geschichte (History) Urteile doch ins rechte Lot, finde ich. Dem verehrten "Niebergall" (hübscher Name!) kann ich nur zustimmen. Ohne Pierre Brice hätte es kaum eine Karl-May-Welle im Kino gegeben. Ohne dem Schauspieler nahetreten zu wollen (dies wäre angesichts seiner Lebensleistung auch vermessen): Ob er Karl May, ob er das Mysterium seiner Rolle jemals verstanden hat, bezweifele ich. Nie war er - unversehens, unabsichtlich - so gut wie im "Silbersee". Je mehr er zum Botschafter wurde, desto mehr scheiterte er - und hat es vermutlich nie bemerkt. Vielleicht war Lex Barker da klüger - der hat wahrscheinlich nie groß über seine Rolle nachgedacht. Pierre Brice hat die Figur des Winnetou letztlich in eine Sackgasse geführt, und dies mit edelsten Absichten. Wer wollte darüber richten? - Vielleicht noch ein Gedanke: Der (deutsche) Winnetou ist nur komplett mit seinen (deutschen) Synchronstimmen. Und die waren im "Silbersee", "W I" und "Shatterhand" perfekt (Stass, Wolff). Thomas Eckelmann (ab "W II") war grandios, aber (welch Paradoxon!) er war mit seiner weichen, warmen Stimme geradezu die akustische Verkörperung des weltverbessernden Predigers. Schauspieler und Synchronstimme führten Winnetou spätestens seit "W II" in die falsche Richtung. - Aber was soll's. Ich hab's damals nicht bemerkt. - Dank für die anregende Diskussion und herzliche Grüße, Michael Petzel

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 13. Mai 2023, 13:59
von Nat Bumppo
Nein, Pierre Brice hat Karl Mays Winnetou nie verstanden. Dass Winnetou die irreale Idealfigur eines ‚edlen Wilden’ darstellt, der mit realen Figuren oder gar Personen nichts gemein hat, entzog sich seiner Begriffswelt. Winnetou hat weitaus mehr von einem Galahad oder Parzival als von einem Cochise. Wenn Pierre Brice einen guten Regisseur hatte, der sich mit der Charakterisierung der Figur Mühe gab, erwies er sich als guter Schauspieler. Doch wenn dem Regisseur die Action das Wichtigste war und die Darsteller weitgehend sich selbst überließ, dann stand er auf verlorenem Posten.
Das relativ schnelle Aus der Filmserie (zum Vergleich: Der zeitgleich die Leinwand betretende James Bond läuft nach 60 Jahren immer noch) lag jedoch an einer geradezu unanständigen Raffgier. Im Vierteljahrestakt wurden ohne Konzept und Strategie Filme auf den Markt geworfen, die das Zielpublikum geradezu überschwemmten. Sieben Filme allein 1965, da konnte von Sorgfalt und Kreativität keine Rede mehr sein. Zumal sich die Drehbücher in erschreckender Weise verschlechterten. Jeder amerikanische B-Western bot eine überzeugendere Story als Filme wie z.B. „Old Surehand” oder „Apanatschi”. Und auch die Besetzungen wurden immer obskurer. „Winnetou und das Halbblut Apanatschi” schoß diesbezüglich wohl den Vogel ab: Uschi Glas als Halbindianerin, ein gewisser Ilija Djuvalekovskij als Oberschurke, wer war für ein solches Horror-Casting verantwortlich?
Dies machte der Filmreihe den Garaus, nicht Pierre Brices bisweilen seltsam anmutenden Auftritte.

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 1. Jun 2023, 09:21
von OmasEnkel
Die Filme der 60er Jahre haben die Winnetou Figur unglaublich geprägt. Harald Reinl hatte diese Aura geschaffen.
Als die Kinoserie ausgelaufen war, hatte Pierre Brice große Probleme Rollen zu bekommen aber der Winnetou Mythos hielt an.
So hat er halt alle möglichen Versuche unternommen, um die Winnetou Figur zurückzuholen und somit selbst am eigenen Mythos gesägt.
Nicht auszudenken, wenn Pierre Brice nach 1968 nicht mehr als Winnetou in Erscheinung getreten wäre. Dann hätte er einen noch viel größeren Eindruck hinterlassen.

Re: Mein Freund Winnetou und die Winnetou-Interpretation

Verfasst: 2. Jun 2023, 16:53
von J.L Niebergall
Hallo Michael Petzel,

vielen Dank für die bestätigenden Worte. Wäre übrigens eine Frage auf einem damaligen Quiz in Segeberg auf einem Treffen gewesen. Wer war J.L. Niebergall und in welchem Film kommt er vor? ;)
Ach ja, der Hinweis mit der Synchronstimme ist sehr gut und habe ich vergessen. Allerdings bin ich der Meinung , dass z.b "WuSiTdT" Eckelmann rauher und edler spricht und mir dort wunderbar gefällt. In WInnetou II und Apanatschi am meisten onkelhaft, allerdings ist dies im wesentlichen der Regie und des Buches geschuldet. Für mich hat sich, wie für sie, auch die Figur selbst entmysthifiziert. Und daran hat Brice selbst die größte Schuld. Übrigens was von seiner Frau Hella auch heute noch kommt ebenso. Brice als Person hat sich für mich persönlich sogar weiter mit seiner fürchterlichen und teilweise peinlichen Autobiographie weiter zerstört. Beide haben die eigentliche Grundlage des Erfolges der Figur nie verstanden.


In den 90er Jahren und auch 2000 gabe es mitnichten massenweise "Filmartikel" zu kaufen, denn diese waren komplett aus dem Handel verschwunden. Ich glaube man muss die Ära 1976 bis 1981 in ELspe mitgemacht haben, um
zu wissen, wie sehr der Geist der Filme dort noch über dem Areal schwebte. Spätestens mit Pape als Winnetou oder Armbruster, veränderte sich der geist Elspes. Klar waren die danach erfolgreich, das hat aber nichts mit den Filmen zu tun und sprach zum großen Teil Menschen an, die die Filme und Ihre Begeisterungswelle weder im Kino, noch im TV gesehen haben. Der "Elspe-Fan" war geboren. Wie auch hier im Forum immer wieder festzustellen, eine ganz eigene Spezies.
Und natürlich sah man auch mit Brice in Segeberg, was die Leute in Scharen dorthin lockte. Ihr "Film-Winnetou". Da verzieh man so Einiges. Auch fürchterliche Drehbücher der Stücke und seine Predigerbotschaften. Auch das Segeberger Publikum kommt heute um ein Actionspektakel zu sehen, aber die Fans von damals bleiben aus. Ich sehe in den Ausführungen von @Rimatta keinen Widerspruch. In sich richtig, nur haben sie nichts mit der Aussge zu tun, dass die Menschen damals Ihren FIlmwinnetou sehen und erleben wollten, sondern erklären den Erfolg nach der Ära Brice, um die es hier gar nicht ging.

@Rimatta: "Mehr ist dazu nicht zu sagen und ich werde mich zu diesem Thema auch nicht weiter dazu äußern." Das ist Ihr gutes Recht, aber ich halte sie auch für nicht so wichtig, dass die Diskussion von Ihren Aussagen hier igrendwie abhängig oder ist, oder getragen wird.