Bad Segeberg 2018: "Die Felsenburg"

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Al-No
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Re: Bad Segeberg 2018: "Die Felsenburg"

#106 Beitrag von Al-No »

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jährlich wiederhole: Ich staune über den erneuten Zuschauerrekord.
Vor allem, wenn ich ins Verhältnis setze, dass vor 15 Jahren sage und schreibe hunderttausend weniger schon ein immenser Erfolg gewesen waren.

Jan Sosnioks plötzlicher Abschied überrascht mich. Ich finde es auch schade, da ich mit ihm als Winnetou recht zufrieden war. Gerechnet hatte ich damit, dass er den Job bis zur Frührente macht. Gehofft hatte ich auf einen Abschied nach zehn Jahren und insbesondere, dass man mit einem Winnetou-Darsteller von der Blutsbrüderschaft über Ribanna bis zu Winnetous letztem Kampf spielt. Die Hoffnung dürfte nun platzen: Wenn man schon nicht, wie ein komisches Deja-vu, "Unter Geiern" zugunsten von "Winnetou I" absagt, dann wird man sicherlich bald noch die Ribanna-Geschichte bringen, um den neuen Darsteller zu profilieren. "Winnetou III" dürfte aber erstmal in weite Ferne rücken.

Bei der Besetzung gehe ich wieder von einem Prominenten aus.

Al-No
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Re: Bad Segeberg 2018: "Die Felsenburg"

#107 Beitrag von Al-No »

Auf die "Felsenburg" werfe ich auch noch einen Blick zurück:
Zuschauererfolg hin oder her, ich fand das Stück eher mau.

Meine Platzierung war schon ungewöhnlich für mich: recht weit oben, rechts. Das hatte ich seit 1997 nicht mehr. ich muss angesichts der Besucherzuströme doch wohl noch über Reservierung nachdenken. Ich frage mich, ob die Position im wahrsten Sinne des Wortes meinen Blick verändert hat: Die Dasteller musste ich hauptsächlich anhand der Kostüme unterscheiden, dann an den Stimmen. Klangen zwei Stimmen sehr ähnlich oder die Richtung, aus der die Stimme kam, blieb einen oder mehrere Momenteunklar, wurde es etwas anstrengend. Ich musste schärfer aufpassen als in den letzten Jahren.

Zum Auftakt stießen einige Mimbrenjos auf die Felsenburg, die der Erzähler auf Cortez zurückführte. Dieser wurde später nicht mehr erwähnt. Harald Wieczorek war Nalgu-Mokaschi, hier in seiner Gütiger-Vater-Anlegung. Die Banditen nahmen sie für den Stollen gefangen und später war Yuma-Shetar auf der Suche nach seinem Vater. Das war keine schlechte Idee; erinnerte ein bißchen an "Im Tal des Todes", wo Lata-nalgut seinen Sohn vermisst und in der Qucksilbermine wiederfindet. Michael Stamp hat sein Buch von 2005 grundlegend nochmal genommen, aber etwas überrabeitet. Diesmal war wieder eine dazuerfundene Goldader unter der Felsenburg das Ziel der Bösen, aber er fügte das Quecksilber aus dem Roman zusätzlich hinzu, um die Giftigkeit des Stollens zu erklären. Eine kurze Einfügung und eine Erklärung ist da.
Leider packte mich der Auftakt schon nicht recht: Die Mimbrenjos kommen, die Banditen ballern kräftig in die Luft, aha.
Im Laufe des Stücks haben Actionsequenzen offenbar nicht so geklappt, wie sie vermutlich gedacht waren: Old Shatterhand wird auf eine Bahre gefesselt - neue, gute Idee. Als die Flammen hochschossen, war er aber schon längst wieder herunter. Deutlich fiel es mir im Finale auf; da schien mir das Timing um die Szene, in der Judith eine Geisel nimmt und den Player niederschießt, nicht zu stimmen.

Der Anfang des Romans zählt zu meinen Lieblingsstellen: Ich-Erzähler Old Shatterhand musste zu Fuß und im abgerissenen Stoffanzug im ausgedorrten und armen Guayamas ankommen; dem ödesten Ort, der im je begegnet war. Im einzigen Wirtshaus - das den Namen nicht verdient - wird man abgezockt. Wirt Geronimo spielt dauernd Domino und hier lernt man den ach so tollen, frommen Harry Melton kennen. Diese Seqquenz hat es zu meinem Beduaern wieder nicht herein geschafft. Guayamas sah auch nicht im Mindesten abgerockt aus und von Geronimos Schlitzohrigkeit war auch nichts übrig.

Wie üblich musste eine Liebesgeschichte sein: Leider ziemlich plump und abrupt nach der Pause zwischen Yuma-Shetar und Felisa eröffnet. Man kann es auch einfach mal lassen. Zu meiner großen und angenehmen Überraschung entwickelt sich das Verhältnis zwischen Felisa und dem Player: Sie machte klar verständlich, warum sie für ihn nicht lieben kann. Er wiederum schien tatsächlich trotz seiner unlauteren Arbeit etwas für sie zu empfinden. Eine verquere Siutuation für ihn. Ich war wirklich gespannt, ob er am Ende zum psychopathischen Geiselnehmer wird; aber nein, er schien das zu schlucken und am Ende für sie noch etwas Gutes tun zu wollen. Das war eine unerwartete Neuinterpretation zu 2005, als beide erfolgreich miteinander flirteten und der schmachtende Player dann am Ende einen dramatischen Heldentod in ihren Armen starb. Nun eine relativ erwachsene, überraschende Anlegung. Das war ein Highligt in der Erzählung.

Neben dem Schurkenpaar und der Entlarvung während der Treckrast: Herrlich! Zu Jochen Horst wurde im Programmheft bereits Method Acting erwähnt und mir war, als ob man das spürte. Er kam so rüber, als ob er in die Rolle eines gewissenlosen, gierigen Verbrechers mit Lust aufgegangen war. Sehr gespannt war ich auf Christine Neubauer, deren jahrelanges Image als Königin anspruchsloser Degeto-Heimat-Filme anscheinend doch nicht so ganzz zutrifft. Als Judith Silberstein machte sie aus der noch eher jugendlichen, durchtrieben Rolle des Romans eine erwachsene, bösartige, charmante Frau, gespielt schon am Rande zu "over the top". Eine überraschende, unterhaltsame Darbietung. Nebendarsteller Stephan Toelle hatte als Hermann ebenfalls einen starken Auftritt.
Nach dem Motto "Auf Drei!" bot Wieczorek seinen besten Auftritt mit seiner dritten Rolle. Der Haciendero Pruchillo entsprach absolut meiner Wunschvorstellung.

Tja, natürlich noch die Komiker. Patrick L. Schmitz hatte man gleich da behalten. Ihm hatte ich als franzöischer Koch letztes Jahr fast in die Augen gucken können: auch wenn die Eskapaden nach einiger Zeit wieder reichten, erkenne ich an, dass er auf den Punkt spielte, klar und deutlich trotz französischem Fake-Akzent sprach und die Rolle sehr gut darbot. Nun waren es der Jurisconsulto und der Sergente. Auf nervtötendes Geschrei quer über die Bühne wie 2005 hatte man 2018 verzichtet, immerhin. Damals hatte ich nur eine Aufzeichnung gesehen und war sehr froh gewesen, auf die Vorspultaste drücken zu können. In der 2018er Version hatten sich die Gewichte sehr zugunsten von "Sergente" Schmitz verschoben. Der Jurisconsulto war eigentlich nur der Sidekick oder Partner zum Zuspielen. Nach der schon klamaukigen (wenn auch kreativen) Eröffnung des Stücks durch Schmitz als angeblichen Zuschauer wurde es zwar besser als 2018, aber schwächer als 2017 und letztlich nur noch nervig - für mich. Ständig lief Schmitz umher und murmelte irgendetwas vor sich hin. Der Teifpunkt war das Schießen in den Fuß und weil es so witzig war, gleich noch einmal.
Ich hätte komplett darauf verzichten können. Manchmal ist mir einfach nicht nach einer Comedy Show sondern nach einer dramatischen Geschichte. "Die Felsenburg" ist so ein Fall. Einige Karl-May-Geschichten geben ja schon einen unterschiedlich großen Humor-Anteil vor - "Der Ölprinz" oder "Der Sohn des Bärenjägers" zum Beispiel. In "Die Felsenburg" entsteht die Komik durch Unfreiwilligkeit ihrer Träger: Geronimo und seine Familie durch ihre Dummdreistigkeit, Don Pruchillo durch seine ständische Arroganz, Herkules (=Hermann) durch tumbe Selbstgewissheit, der Jurisconsulto durch faule Selbstgefälligkeit. Hätte mir eigentlich auch gereicht. Wenn man zusätzliche omik einarbeitet, muss man achtsam sein. In Bad Segeberg wird oft mit einem groben Spachtel gearbeitet.
Andererseits muss ich zugestehen: Michael Stamp schreibt auch immer wieder was Neues oder renoviert seine Textbücher zumindest. In Elspe scheint Jochen Bludau wieder in einer Phase zu sein, in der er auf die Bremse tritt.

Was bleibt noch zu guter Letzt? Das Heldenduo. Jans Sosniok hat mit der letzten Vorstellung plötzlich seinen Abschied bekannt gegeben und vorher nochmal einen guten Winnetoz gespielt. Nur die Adler-Szenen mussten mal wieder sein, die besonders esoterisch wirkte und das ist auch wieder etwas, was nicht mein Fall ist. Immerhin war Ko-hinta diesmal keine ernstzunehmende Konkurrenz für Old Shatterhand. In seiner schon sehr langen Kalkberg-Karriere schafft es Joshy Peters immer wieder, als Old Shatterhand aufzutauchen, auch wenn man ihn aus dieser Rolle längst abgeschrieben hatte. Oder lag es wieder daran, das kein Gaststar verfügbar war? Sei`s drum: Ich war neugierig. Vom Rollenanteil hat man ihn zumindest nicht untergehen lassen, auch wenn er nicht wie im Buch die klare Hauptrolle war. Ich hatte vorab schon etwas Bedenken und, ja, die Fältchen sind da. Peters sieht wie ein fitter Sechzigjähriger aus. Old Shatterhand stelle ich mir aber jünger vor. Andererseits verkörpert er die Rolle gut - auch wenn er schon lange keine Zweikämpfe mehr gemacht hat -, scheint sie auch wirklich zu mögen und erinnert mit der Frisur auch ein bißchen an Lex Barker.
Ob er nächstes Jahr in der Rolle bleibt? Wetten würde ich glatt: Ja.
Vielllicht gefällt mir das Stück dann auch wieder besser.

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