Entsetzt über "Der Derwisch"
Verfasst: 13. Dez 2018, 17:04
Liebe Mitforianer,
kurz darf ich mich vorstellen. Bin aus Österreich - und Karl May war die vielleicht jene literarische Größe, die meine Jugendzeit am intensivsten geprägt hat. Schon früh las ich Sekundärliteratur und wurde auf die prekäre Situation hinsichtlich der Münchmeyer-Romane aufmerksam; irgendwie schien mir das Thema aber in einer nicht mehr weiter befahrbaren Sackgasse angekommen, sodass ich von einer weiteren Befassung damit Abstand nahm.
Immer schon hat mich die Diskussion rund um die Bearbeitung(en) bzw. um die Bearbeitbarkeit der Mayschen Kolportageromane interessiert. Nun, nach vielen Jahren habe ich erstmals einen Textvergleich zwischen GW 61 "Der Derwisch" und dem Reprint der Erstausgabe von "Deutsche Herzen – Deutsche Helden" angestellt, und zwar nur für die ersten paar Seiten.
Ich muss gestehen: Ich bin entsetzt darüber, was der KMV da getan hat. Seitenweise (!) Text, der bei May nicht zu finden ist.
Bd. 60 "Allah il Allah" (heutzutage wohl ein Reiztitel angesichts der politischen Entwicklungen rund um den Erdball) hat mir immer sehr gefallen, obwohl da wohl Ähnliches (oder noch Tiefgreifenderes) veranstaltet wurde.
Einerseits finde ich die Originalfassung (den Erstdruck) tatsächlich langatmig und holprig - und wünsche mir eine gute Bearbeitung dieser überlangen Romane. Andererseits bin ich empört über das "Neuschreiben", welches der KMV unternommen hat.
Gibt es denn keinen Mittelweg?
May hat doch meines Wissens selber eine Episode aus dem "Waldröschen" herausseziert und in seinen "Old Surehand" eingepflanzt. Von daher finde ich die Herauslösung eines einzelnen Handlungsstranges nicht schlimm. Was ich an den KMV-Bearbeitungen heftigst kritisiere, ist schlicht der fehlende Respekt vor den Ausgaben letzter Hand. Die (gewiss noch ungeschliffenen) Mayschen Text als Degustationskammerl für verlegerische Phantasien zu missbrauchen - so etwas kann ich nicht gutheißen.
Einen Lord Eaglenest in den bekannteren Sir David Lindsay zu verwandeln ist die eine Sache. M.E. schadet sie dem Roman aber weit weniger als die seitenlangen Hinzufügungen von Nicht-May-Texten. Gewisse Wortänderung sind ebenfalls fragwürdig. Bei May steht "Nationen", in den GW steht "Rassen". Bei May steht "karriert", in den GW steht "gewürfelt". Das ist doch keine Verbesserung.
Mich würden eure Meinungen zu diesem Thema brennend interessieren.
Viele Grüße
Sir David
kurz darf ich mich vorstellen. Bin aus Österreich - und Karl May war die vielleicht jene literarische Größe, die meine Jugendzeit am intensivsten geprägt hat. Schon früh las ich Sekundärliteratur und wurde auf die prekäre Situation hinsichtlich der Münchmeyer-Romane aufmerksam; irgendwie schien mir das Thema aber in einer nicht mehr weiter befahrbaren Sackgasse angekommen, sodass ich von einer weiteren Befassung damit Abstand nahm.
Immer schon hat mich die Diskussion rund um die Bearbeitung(en) bzw. um die Bearbeitbarkeit der Mayschen Kolportageromane interessiert. Nun, nach vielen Jahren habe ich erstmals einen Textvergleich zwischen GW 61 "Der Derwisch" und dem Reprint der Erstausgabe von "Deutsche Herzen – Deutsche Helden" angestellt, und zwar nur für die ersten paar Seiten.
Ich muss gestehen: Ich bin entsetzt darüber, was der KMV da getan hat. Seitenweise (!) Text, der bei May nicht zu finden ist.
Bd. 60 "Allah il Allah" (heutzutage wohl ein Reiztitel angesichts der politischen Entwicklungen rund um den Erdball) hat mir immer sehr gefallen, obwohl da wohl Ähnliches (oder noch Tiefgreifenderes) veranstaltet wurde.
Einerseits finde ich die Originalfassung (den Erstdruck) tatsächlich langatmig und holprig - und wünsche mir eine gute Bearbeitung dieser überlangen Romane. Andererseits bin ich empört über das "Neuschreiben", welches der KMV unternommen hat.
Gibt es denn keinen Mittelweg?
May hat doch meines Wissens selber eine Episode aus dem "Waldröschen" herausseziert und in seinen "Old Surehand" eingepflanzt. Von daher finde ich die Herauslösung eines einzelnen Handlungsstranges nicht schlimm. Was ich an den KMV-Bearbeitungen heftigst kritisiere, ist schlicht der fehlende Respekt vor den Ausgaben letzter Hand. Die (gewiss noch ungeschliffenen) Mayschen Text als Degustationskammerl für verlegerische Phantasien zu missbrauchen - so etwas kann ich nicht gutheißen.
Einen Lord Eaglenest in den bekannteren Sir David Lindsay zu verwandeln ist die eine Sache. M.E. schadet sie dem Roman aber weit weniger als die seitenlangen Hinzufügungen von Nicht-May-Texten. Gewisse Wortänderung sind ebenfalls fragwürdig. Bei May steht "Nationen", in den GW steht "Rassen". Bei May steht "karriert", in den GW steht "gewürfelt". Das ist doch keine Verbesserung.
Mich würden eure Meinungen zu diesem Thema brennend interessieren.
Viele Grüße
Sir David