Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Der Ölprinz
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Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Der Ölprinz »

Hallo,

ich habe in den letzten Jahren wieder mit dem Lesen von Karl May`s Büchern begonnen.
In erster Linie die "bunten" Ausgaben von Weltbild, da sie weniger oder gar nicht bearbeitet sind.

Vor einiger Zeit habe ich aber auch "Das Buschgespenst" vom Karl May Verlag gelesen und es hat mir überraschend gut gefallen.
Nun zu meiner Frage:

Sind die Bände: Der Fremde aus Indien (Band 65), Der verlorene Sohn (Band 74), Sklaven der Schande (Band 75) und Der Eremit (Band 76)
mit dem "Buschgespenst" vergleichbar oder sind sie durchweg schlechter?

Gruß

Der Ölprinz
Helmut
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Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Helmut »

Meiner persönlichen Meinung nach, ist das "Buschgespenst" das seltene Ergebnis einer wirklich gelungenen Herauslösung und Bearbeitung des Stoffes aus dem Kolportageroman; der "Fremde aus Indien" eher ein (sehr) schlechtes Beispiel dafür und, auch wieder meiner ganz persönlichen Meinung nach, alles andere als empfehlenswert.
Die Bände mit den höheren Nummern (so ab 70 etwa) sind teilweise nur wenig, z.B. in der Schreibweise, bearbeitet; das müsste man aber im Einzelfall nachsehen (z.B. hier : http://www.karl-may-buecher.de/banddetails.php?_id=77.
Das sind dann allerdings aus dem Zusammenhang gerissene Einzelbände.

Helmut
BernhardT
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Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von BernhardT »

Hallo Ölprinz,

Ich würde hier zweierlei Aspekte unterscheiden:
a) die Werkstreue oder Nähe zum unbearbeiteten Original
b) die Lesbarkeit der Bearbeitung als "eigenständiges" Werk.

Die Nähe zum unbearbeiteten Original ist ein umfangreiches eigenes Thema.
Die Kluft ist sehr groß.

Deswegen möchte ich mit meiner Meinung NUR auf die Lesbarkeit der Bearbeitung eingehen.
Also Bd. 65 "Der Fremde aus Indien" habe ich sehr gern gelesen,
weil der Handlungsfaden in sich weitgehend stimmig, geradlinig und spannend ist.

Bei den Bänden 74, 75 und 76 sehe ich es genauso wie Helmut. Hier handelt es sich - simpel formuliert -
mehr oder weniger um die verbliebenen "Romanreste" von mehr als 1000 Seiten, bei denen es nicht mehr so gut gelungen ist,
einen durchgängigen roten Faden zu halten, der von vorne bis hinten die Spannung trägt. Schließlich wurden die spannenden Rahmenhandlungen schon in den Bänden 64 und 65 "verbraucht". Übrig geblieben sind oft nur Episoden, die an einander gereiht nur noch wenig spannende Verbindung haben.

Grüße
Bernhard
Helmut
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Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Helmut »

Für mich ist "Der verlorne Sohn" eigentlich der wichtigste der Kolportageromane Mays, weil er u.a. darin das Elend im Erzgebirge des 18. Jahrhunderts schildert, und das wohl auch größtenteils auf eigenes Erfahren zurückgeht. Davon ist allerdings in "Der Fremde aus Indien" so gut wie nichts mehr übrig geblieben und außerdem wurde dieser Roman während der Nazizeit fertiggestellt (u.a. vom NSDAP Mitglied O. Eicke) und er wurde im Sinne dieser Zeit entsprechen entstellt auch mit antijüdischen Inhalten. Ich kenne (leider) auch diese Version noch, die weit in die 50'er Jahre noch ausgeliefert wurde und villeicht kommen meine "Vorurteile" gegen dieses Buch auch daher.
(Auch im Buschgespenst ist vom oben angesprochenen Elend kaum mehr was übrig geblieben, aber ich find es trotzdem gelungen.)

Helmut
Rüdiger

Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Rüdiger »

Helmut hat geschrieben:das Elend im Erzgebirge des 18. Jahrhunderts schildert, und das wohl auch größtenteils auf eigenes Erfahren zurückgeht
Die Biographie wird umgeschrieben werden müssen ...

:-)
Der Ölprinz
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Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Der Ölprinz »

Hallo,

ich danke euch beiden!

Mir ging es wirklich um die Lesbarkeit (um dicht am Original zu bleiben, könnte ich ja auch die kompletten Kolportageromane von Weltbild besorgen).

Also könnte man als Fazit sagen: Der Fremde aus Indien - gut lesbar, die anderen Bücher eher nicht?

Gruß

Der Ölprinz
Rüdiger

Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Rüdiger »

Das ist Geschmackssache ...

Mir geht es wie Helmut, das "Buschgespenst" gefällt mir einigermaßen, der "Fremde aus Indien" nicht. Der 74er auch nicht. Der 76er geht. Der 75er enthält originalen Text.
Der Ölprinz
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Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Der Ölprinz »

Danke Rüdiger.

Ich kann sie aber im Prinzip wild durcheinander als jeweils abgeschlossene Bücher lesen, oder?

Viele Grüße

Der Ölprinz
Rüdiger

Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Rüdiger »

Ja, das 'funktioniert'.
Rüdiger

Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Rüdiger »

Helmut Schmiedt schrieb seinerzeit (mit spitzerer Feder als mittlerweile zu solchen Dingen ... auch Federn unterliegen, selbst wenn schwer überlesbarer milder Spott noch so charmant und harmlos war, wie gewisse Edelsteine offenbar gelegentlich Schleifungsprozessen, auch freiwilliger Art, um angesagten 'lieben Friedens' Willen …) sehr hübsch zu Band 74
Über Sinn und Unsinn der bearbeiteten Ausgaben des Karl-May-Verlags ist bekanntlich viel gestritten worden, und gerade die Münchmeyer-Romane sind ja von den Textveränderungen in besonders hohem Maße betroffen. Über diesen neuen Band im einzelnen zu urteilen, setzte deshalb voraus, die grundsätzliche Diskussion noch einmal aufzurollen und dabei einen ausführlich begründeten Standpunkt einzunehmen; das kann hier nicht geschehen. Alles in allem fügt sich ›Der Verlorene Sohn‹ wohl - und das kann man nun so oder so verstehen - würdig in die Reihe seiner Vorgänger ein.
und zu Band 76
Von den Veränderungen profitiert in erster Linie Auguste Beyer, die als Kindsmörderin ins Gefängnis gesteckt wird und im Original dort verbleibt; dank mildtätiger Bearbeiter gelangt sie nun in den Genuß eines erfolgreichen Gnadengesuchs und sozialtherapeutischer Hilfsmaßnahmen – wieder einmal ist Ardistan schöner geworden!
Der Ölprinz
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Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Der Ölprinz »

Aha.

Dann werde ich mir demnächst einmal das erste dieser Bücher besorgen...

Ich habe einmal die ersten drei Bände von "Deutsche Herzen - Deutsche Helden" des Weltbild-Verlages gelesen.
Das waren bisher die einzigen Kolportage-Romane von Karl May die ich gelesen habe. Auf die restlichen 3 Bücher hatte ich dann keine rechte Lust mehr.
Da mir aber "Das Buschgespenst" gefallen hat, kam ich auf die Idee die zu meiner Frage führte...

Und das obwohl ich bei den anderen Büchern Karl May's gerade gerne so original wie möglich lese...

Gruß

Der Ölprinz
Rüdiger

Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Rüdiger »

Bei den "Deutschen Herzen" ist es tatsächlich so, daß einem die Bearbeitung besser gefallen kann als das Original ... auch wenn wir jetzt mit einigermaßen heftigem Einspruch seitens Helmut Moritz rechnen müssen.

;-)
Der Ölprinz
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Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Der Ölprinz »

Rüdiger hat geschrieben:Bei den "Deutschen Herzen" ist es tatsächlich so, daß einem die Bearbeitung besser gefallen kann als das Original ...

;-)
Hallo,

naja auf jeden Fall ungleich schlechter als die meisten Nicht-Kolportageromane von May.
Vielleicht habe ich mit den "Deutschen Herzen" auch gerade den schlechtesten Kolportageroman zum Start probiert?

Gruß

Der Ölprinz
Rüdiger

Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von Rüdiger »

M.E. Ja. Ungeachtet des zu erwartenden Einspruchs seitens Helmut Moritz.

:-)
giesbert
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Re: Der Fremde aus Indien etc., empfehlenswert?

Beitrag von giesbert »

Rüdiger hat geschrieben:
Von den Veränderungen profitiert in erster Linie Auguste Beyer, die als Kindsmörderin ins Gefängnis gesteckt wird und im Original dort verbleibt; dank mildtätiger Bearbeiter gelangt sie nun in den Genuß eines erfolgreichen Gnadengesuchs und sozialtherapeutischer Hilfsmaßnahmen – wieder einmal ist Ardistan schöner geworden!
Ein Happy End für Auguste Beyer? Das ist aber mal ein ziemlich heftiger Eingriff. Man hofft als Leser ja immer, dass am Schluss alles gut wird. Wird es im Roman aber nicht. Und das völlig zurecht. Da bin ich ja froh, dass das Hörspiel "Sklaven der Arbeit" näher am Original ist als die KMV-Bearbeitung. Da zitiere ich mich einfach mal selbst:
Verzichtet wurde auch auf die naheliegende Versuchung, dem der Kolportage zugehörigen Kitsch durch parodistischen Einschlag zu entkommen. So unfreiwillig komisch und mitunter nur schwer erträglich manche Wendung in ihrer frömmelnden Einfalt auch sind, so flach und simpel die Charakterzeichnung auch sein mag: dergleichen gehört unlösbar zur Kolportage und kann nicht ohne Verlust aus ihr entfernt werden. Wer sich auf die Kolportage einlässt, tut gut daran, sie ernst zu nehmen – und genau dies tun sowohl die Bearbeitung als auch die Sprecher, die noch den gröbsten Unfug und die zweifelhaftesten Dialoge ernsthaft behandeln und so die unter allem erzählerischem Schutt begrabene Dignität der Kolportage wahren.

Auch der deprimierende und hoffnungslose Schluss wurde beibehalten. Zwar werden, wie es sich für die Kolportage gehört, die Schurken bestraft und das Heldenpaar dem bürgerlichen Happy End überantwortet, doch die letzten Worte des Erzählers gelten im Hörspiel wie bei May der hoffnungslosen Auguste Beyer, die an den brutalen Verhältnissen zerbricht und zur Kindsmörderin wird. Am Schluss wird der Hörer in die Trostlosigkeit entlassen: „Sie sagte kein Wort, und sie weinte auch nicht. Warum auch weinen? Es war nun doch Alles aus.“
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